Der rote Faden

Der rote Faden

„Mein Sohn braucht Struktur zum Lernen!“ Das ist eine Meinung, die ich oft höre, wenn wir auf den Marktplatz-Ständen anderen Eltern das Reformkonzept vorstellen.
Es ist eine berechtigte und interessante Frage, wie das Lernen in der Reformpädagogik stattfindet, gibt es einen roten Faden, an dem sich das Kind halten kann oder der es leitet?

Man kann pädagogische Konzepte anhand von Merkmalen wie etwa Sozialform, Rolle der Lehrerin oder Steuerung des Lernprozesses durch den Lernenden unterscheiden. In der folgenden Tabelle[1] ist mit „Modell A“ der Lehrerzentrierte Unterricht bezeichnet, bei Modell B liegt der Fokus auf dem Kind.

  Modell A Modell B
Sozialform
  • Plenum
  • Einzelarbeit
  • Kleingruppen
Lernfeld
  • Bekannte Probleme
  • Input und Beispiele durch Lehrerin
  • Unbekannte Probleme
  • Eigene Beispiele
Methode
  • Strukturiert  / Instruktion
  • Geringe Selbststeuerung
  • Entdeckung
  • Moderation durch Lehrer
  • Hohe Selbststeuerung
Rolle der Lehrerin
  • Autorität
  • Experte
  • An Problem ausgerichtet
  • Begleiter
  • Partner
  • An Person/Gruppe ausgerichtet
Evaluation am Seminarende
  • Hohe Zufriedenheit
  • „tolles Seminar“
  • „viel gemacht“
  • „hervorragender Trainer“
  • Eher mittelmäßig
  • Irritation
  • „Fehlender roter Faden“
Evaluation nach
4 Wochen
  • Bessere Anwendung des konkret gelernten
  • Inhalte anwendbar auf bekannte Probleme
  • Größere Bewusstheit der eigenen Stärken/Schwächen
  • Anwendbar auf unbekannte Probleme
Evaluation nach
1 Jahr
  • Wirkung nimmt ab
  • Wirkung nimmt zu

Die Pädagogik der Reformschule folgt eher dem Model B. Das Kind kann und soll viel selbst steuern, es hat die Möglichkeit das eigene Lernen zu reflektieren. Fragen wie “Was sind die Bedingungen, die ich brauche um zu guten Ergebnissen zu kommen?“ werden gestellt und im Laufe der Jahre gibt es viele Antworten. Das Ziel ist, „dass die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln, die sozial kompetent und engagiert an ihrem Wissens- und Kompetenzerwerb arbeiten“ (Aus dem Leitbild).

Auf der anderen Seite steht, dass mitten im Lern-Prozess für die Eltern und/oder das Kind manchmal der „rote Faden“, die Struktur zu fehlen scheint.  Das ist nachvollziehbar, da eben nicht der im Lehrbuch vorgegebene Wissenserwerb im  Fokus steht, sondern die lernende Person mit ihren Stärken und Schwächen.

Die Antwort auf die Frage nach dem roten Faden im pädagogischen Modell der Reformschule ist: Es gibt eine Ordnung im Lernen, aber da jedes Kind, jeder Mensch anders ist, sieht diese immer anders aus. Der eine braucht viel Ruhe und Konzentration auf eine Sache; die andere vielleicht eher einen Austausch mit einer Gruppe, um die Lösung für ein Problem zu erkennen; ein drittes Kind muss Dinge kreativ ausprobieren.


[1] Nach: Prof. Claus Nowak Teamarbeit

Rainer Licht

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